5/27/2017

Sieben Minuten nach Mitternacht (2016)

- Märchenhafte Trauerbewältigung

Schweißgebadet wacht Conor in seinem Bett auf. Den introvertierten Jungen plagen nachts Alpträume. Tagsüber muss sich Conor nicht nur um sich selbst kümmern, sondern auch um seine schwerkranke Mutter. In der Schule hat er es nicht leicht. Er wirkt müde, sein Gesicht ist blass. Einzig mit seiner Mutter kann er hin und wieder lachen. Die meiste Zeit jedoch verbringt Conor allein und zurückgezogen, bis eines Nachts um sieben Minuten nach Mitternacht ein ungewöhnlicher Gast vor seinem Fenster steht...

Von seinem Zimmer aus blickt man direkt auf den Friedhof, auf die Kirche und eine große alte Eibe. Drei zentrale Motive des Films sind hier zusammengefasst: der Tod, der Glaube und die Lebenskraft. Wie bereits in seinen vorigen und mitunter sehr empfehlenswerten Filmen "The Impossible" und "Das Waisenhaus" befasst sich Regisseur J.A. Bayona mit existenziellen Themen. Der Umgang mit Tod und Verlust steht dabei im Vordergrund. Für den heranwachsende Conor ist es eine besonders schwere Aufgabe, der ohnehin nach Halt und Orientierung sucht, die ihm durch seine Lebensumstände verwährt bleiben. Da ist es kein Wunder, dass der Junge seine Emotionen nicht unter Kontrolle hat.

Mit dem regelmäßigen Auftauchen des nächtlichen Besuchers wird Conor mit seiner Situation konfrontiert. Die narrative Verknüpfung von Realität und Fantastik ist wunderschön inszeniert. In visuell berauschenden Sequenzen aus weichen Zeichungen, farbenfrohen Malereien und atmosphärischen Animationen entführt das Wesen in märchenhafte Erzählungen von Hexen, Prinzen und Priestern. Die Gleichnisse stecken voller Lebensweisheiten und reflektieren die zentrale Handlung des Films, um seiner Hauptfigur Entwicklungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Gleichsam ist auch der ganze Film dem Zuschauer ein Beispiel einer sehr differenzierten Auseinandersetzung mit dem Ernst des Lebens ohne einfache Lösungen und ohne eindeutige Wahrheiten. Außer der, dass der Tod dazu gehört.

Von Ignoranz über Schuld, bis Verzweiflung und Katharsis - der Film zeigt alle Stadien der Trauerbewältigung in einem durchgehend nachvollziehbaren Prozess. Ein Prozess, in dem alle Gefühle berechtigt sind und in dem auch Widersprüche existieren können. Ebenso regt der warmherzige Film an zum Weinen und zum Freuen. Trotz des traurigen Sujets steht im Fokus des Films die Resilienz. Die Fähigkeit zu Akzeptanz und Überwindung. Die Ressourcen, dies zu kanalsieren und in die richtigen Bahnen zu lenken, sind alle da. Distanzierung, Glaube, Liebe und Lebenskraft. Wundervoll berührend in der künstlerischen Abstraktion und Bearbeitung dargestellt, verdient dieser Film den (vielleicht offensichtlichen) Vergleich zu einem Werk wie Guillermo del Toros "Pans Labyrinth". Fantastisch.

TRAILER:
Sieben Minuten nach Mitternacht Youtube-Trailer

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