11/07/2016

The Accountant (2016 - GERMAN ONLY)

- Bilanz: Chaos!

Ein Buchhalter (englisch: Accountant) zeichnet sich unter anderem aus durch genaues Arbeiten. Beim Überwachen und Erfassen von Finanzgeschäften eines Unternehmens zum Beispiel sollte alles geordnet und übersichtlich ablaufen. Wenn das Drehbuch für diesen Film die Bücher über die Bilanzen eines Betriebs darstellen würden, würden die Behörden sicherlich schnell mit dem Hammer auf den Tisch hauen. Hier herrscht absolutes Chaos!
Wer schon mal ein Drehbuchseminar besucht hat, hat sich zu Beginn eines Schreibprozesses oft folgende Frage zu stellen: Welche Geschichte möchte ich eigentlich erzählen? Was ist der Kern meiner Story?
Im Falle von "The Accountant" wurde diese Frage definitiv übergangen. So sehr, dass es fast schon amüsant ist. Hier werden so viele Geschichten begonnen, nicht zu Ende erzählt oder aus dem Nichts herauf beschworen, dass es schwer ist, einen roten Faden auszumachen. Diese Kritik ist auch ein Versuch, den Plot irgendwie nachzuvollziehen.

Der Film beginnt mit einem Prolog, der sich später als Backstory herausstellt. Backstory zu einem Handlungsstrang, der letztlich für die Haupthandlung keine direkte Rolle spielt - mit einer Ausnahme: noch mehr Backstory zur Verfügung zu stellen. J. K. Simmons spielt dabei ein hohes Tier bei der Steuerfandung (oder beim FBI?) kurz vor der Pensionierung, der eine hervorragend ausgebildete junge Frau namens Marybeth Medina anstellt, um die Identität eines Mannes herauszufinden, den alle nur den "Accountant" nennen. Auch sie hat nebenbei bemerkt eine kriminelle Vergangenheit. Welches Ziel Simmons dabei eigentlich verfolgt ist nicht so ganz klar.
Gleichzeitig spinnt der Film einen weiteren Faden, der ebenfalls Backstory ist: Ein Ehepaar leidet unter der Autismusstörung eines ihrer beiden Kinder. Während die Mutter das Kind in eine Einrichtung geben will, entscheidet der dominierende Vater, den Sohn selbst zu erziehen. Dabei wendet der Army General fragwürdige und teils sehr lächerliche Methoden an. Seine engstirnige Weltsicht und seine pathetischen Moralvorstellungen lassen ihn zur Karikatur werden. Wer anders ist, wird nicht akzeptiert und muss kämpfen - im wahrsten Sinne des Wortes. Zum Augenverdrehen ist die Szene, in der die beiden Söhne in fernöstlich anmutendem Stil in der Kampfkunst unterrichtet werden. An und für sich hätte das Familiendrama rund um den Vater-Mutter-Kind Konflikt aber vielleicht Potenzial gehabt. Gerade wenn man dabei noch den Umgang mit Autismus ins Zentrum gerückt und ernsthaft beleuchtet hätte.
Die eigentliche Story des Films ist aber eine andere: Ben Affleck spielt den mittlerweile erwachsenen autistischen Buchhalter, der von einer Firma angeheuert wird, deren Finanzen zu überprüfen, wodurch er auf kaum nachvollziehbare Weise auf der Abschussliste übler Gangster landet. Angeheuert werden diese vom selben Firmenoberhaupt, der zuvor noch selbst den Buchhalter engagiert hatte und den kaum ausgefeilten Antagonisten mit schwachem Motiv (Geld) darstellt. In einem Subplot wird eine zweite Führungsperson derselben Firma aufgrund von Geldwäschegeschäften bereits von denselben Kriminellen erpresst.
Nebenbei trifft Affleck auf eine Kollegin, gespielt von Anna Kendrick, die (natürlich) als Love Interest auftritt und ebenfalls um ihr Leben fürchten muss. Affleck spielt dabei eigentlich grandios trocken und mimt den sozial ungeschickten Buchhalter wirklich glaubwürdig. Für kurze Zeit stimmt bei den beiden auch die Chemie. Aber auch der Ansatz des Autisten, der doch noch Gefühle für einen Menschen entwickelt, wird nicht wirklich verfolgt - obwohl er dennoch sein Leben für Kendrick aufs Spiel setzt. Vielmehr heißt es ab hier: sich retten, eine Menge Bösewichte töten und fliehen. Warum steht nicht so genau in den Büchern. Kendrick jedenfalls, jetzt weniger glaubwürdig, nimmt die plötzlich ausufernde Gewalt ziemlich gelassen hin.

Währenddessen werden immer wieder neue Rückblicke ausgegraben. Über Afflecks Familie. Über eine Beerdigung. Über einen Mittelsmann im Militärgefängnis. Über Geschäfte mit Drogenkartellen, Mafiafamilien und Waffenhändlern. Über eine Schießerei. Das meiste davon wird von J. K. Simmons Figur in einem langen Vortrag erzählt - selten ungeschickte Exposition und das noch spät im zweiten Akt. Was hat das nun mit irgendwas zu tun, fragt man sich. Warum ist das nun relevant? Und wie lange geht der Film wohl noch?
Immerhin bleibt sich dieser wirre, katastrophal erzählte Plot am Ende insofern treu. Der in jeder Hinsicht lächerliche "Pay-Off" macht dramaturgisch schlicht und einfach keinen Sinn. Denn das Ende des Films ist das Ende zu einer Geschichte, die nicht erzählt wurde.

TRAILER:
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